Ich habe meiner Mutter zum Geburtstag ein iPhone geschenkt, weil sie sich das gewünscht hat … damit sie "on" sein kann und immer auf dem Laufenden ist, was wir gerade machen. Also habe ich ihr das Nötigste – in ihrem Fall WhatsApp und Instagram – installiert und ihr das Handy feierlich überreicht, natürlich nicht, ohne ihr die Funktionen, die sie braucht genau zu erklären. So weit, so gut …
Dummerweise hatte ich nicht damit gerechnet, dass meine Mutter mit ihren süßen 72 Jahren mit Technik etwa genauso viel am Hut hat wie eine sibirische Nacktschnecke. Sprich: Ich fürchte, ich habe ein Monster erschaffen.
Neulich habe ich im Garten einige Rosen gesetzt und die Gelegenheit genutzt, meiner Mutter per WhatsApp ein paar Bilder zu schicken. Aha, zwei graue Haken. Zugestellt sind die Bilder also schon mal. Super. Sicher guckt sie gleich nach und schreibt mit ihrem grünen Daumen eine kleine Lobeshymne zurück. Eine echte Win-Win-Situation also. Ich freue mich auf eine Nachricht und sie kann trotz der räumlichen Distanz, die uns trennt, an meinem Leben teilhaben.
Allerdings scheint sie genau daran nach etwa acht Stunden – ich sitze mittlerweile bei einem Glas Wein auf der Terrasse – noch kein rechtes Interesse zu haben. Immer noch zwei graue Haken! Okay, dann muss ich wohl mal nachfragen. Ich greife also zum Handy und rufe sie auf dem Festnetz – sicher ist sicher – an.
"Hi Mama, hast du meine Nachricht gekriegt?", frage ich. "Nein", kommt da wie aus der Pistole geschossen, "aber bei dem grünen Bildchen steht so eine komische 1. Da hab ich mich jetzt nicht draufzudrücken getraut, weil ich nichts kaputt machen will." Okay, tief durchatmen. "Die 1 heißt, dass du eine Nachricht bekommen hast! Einfach auf das Symbol tippen, dann kannst du sie lesen!" Kurze Pause. "Hast viel Arbeit?", fragt sie mich und wechselt ganz offensichtlich das Thema. "Ähm, ja, alles gut", hauche ich meine Standardantwort ins Handy. "Schön, das ist besser, als keine Arbeit, weil der Daniel, der sucht immer noch einen Job, das ist wirklich schlimm".
Ich nippe an meinem Wein. "Ähm, ja, aber eigentlich rufe ich wegen deinem Handy an. Probieren wir's mal kurz aus? Ich lege jetzt auf, schreibe dir eine Nachricht und du antwortest drauf?" Learning by doing sozusagen, das geht schneller als alle Erklärungsversuche. "Ja, gut, so machen wir's, tschü-üss!"
Ich tippe also eine kurze Nachricht – Hallo Mama, das ist ein Test, bitte kurz antworten – und warte. Zwei graue Haken. Gut. Eine gute Stunde später – der Wein in der Flasche neigt sich dem Ende zu – antwortet sie … per SMS: "Hast du schon geschrieben?", fragt sie mich. "Du musst auf das andere grüne "Bildchen" tippen", antworte ich leicht genervt, aber das hört sie ja zum Glück nicht. "Okay", kommt die prompte Antwort … wieder per SMS und meine WhatsApp-Nachricht hat immer noch zwei graue Haken.
Eine weitere Stunde später – ich überlege gerade, ob ich noch eine Flasche Wein köpfen soll – piepst mein Handy und ich lese die neuste SMS meiner Mutter: "Ormg heute alW" lautet diese. Aha. Schön, dass wir darüber geredet haben. "Toll Mama", schreibe ich, "aber ich weiß a) nicht, was du mir sagen willst und b) sollst du doch über das andere Bildchen antworten."
Pause. Okay, noch eine Flasche. Hilft ja nix. Ich checke das WhatsApp-Profil meiner Mutter … Mama schreibt, steht da. Und sie schreibt und schreibt und schreibt … und endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit das erlösende "Pling". Sie hat tatsächlich geantwortet … per SMS. Langsam frage ich mich, wie sie das macht. "Bin jetzt müde", schreibt sie. Lass uns das mit dem Handy doch morgen machen.
Alles klar, Mama ...
Um wenigstens für ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen, hätte ich ein paar Fragen ein deine liebe Mutter. Zum Beispiel: "Wie lange hat es eigentlich gedauert, bis klein Robert sich seine Schnürsenkel endlich selber binden konnte?" oder "wann hat er damit aufgehört, seine Hosen beim Pinkeln bis zu den Knöcheln fallen zu lassen?" #RespektvormAlter #sojungbistduauchnichtmehr