Ich hatte neulich ja erwähnt, dass ich an einer Augenentzündung laboriere – jedenfalls dachte ich das, aber dazu später mehr. Selbige habe ich beim Optiker meines Vertrauens untersuchen lassen, den ich an dieser Stelle ausdrücklich lobend erwähnen möchte, weil mir a) die Untersuchung bei www.ritter-optik.de ausgesprochen kompetent vorkam und ich b) darauf hoffe, dass für meine Gratiswerbung eines Tages ein gebrauchtes Brillenputztuch für mich rausspringt.
Auf Anraten des besagten Optikers habe ich mich schließlich an einen Augenarzt gewandt, als meine Sehleistung auch nach einer Woche noch mau war – wenn nicht sogar mau-mau, wenn ich die morgendlichen Doppelbilder in Betracht ziehe. Der eigentliche Auslöser war allerdings eine zweistündige Tennisdemütigung, bei der ich wacker den mittleren Ball geschlagen habe, obwohl die diplopiebereinigte Filzkugel eher links oder rechts davon zu verorten gewesen wäre.
Andererseits hielt ich die Taktik für durchaus angebracht, weil ich sie seit Jahren auch im nächtlichen Straßenverkehr ausgesprochen erfolgreich einsetze, wenn ich mal meine Brille vergessen habe: Im Zweifel immer zwischen den beiden Motorrädern durchfahren. Diese in den meisten Fällen durchaus praktikable Strategie verdanke ich übrigens einer Freundin, die sich bis heute fragen würde, warum über der Autobahn riesige blaue Schilder ohne Aufschrift hängen, wenn sie ein offenbar engelszüngiger Optiker nicht davon überzeugt hätte, dass sie deutlich schlechter sieht, als sie dachte ... die olle Maulwürfin.
Also habe ich einem Tipp meiner Friseurin folgend noch aus deren Stuhl mit Mundschutz – nein, nicht der Stuhl hatte einen Mundschutz – bei einem Augenarzt angerufen, der laut meiner Haarkünstlerin "supergut ist, aber keine neuen Patienten mehr annimmt", wie sie am eigenen Leib leidvoll erfahren musste. Den Sermon über die angebliche Zweiklassengesellschaft hinsichtlich privater und gesetzlicher Krankenversicherungen spare ich mir an dieser Stelle, weil er meines Erachtens völlig an den Haaren herbeigezogen ist. Zwei Wochen Wartezeit für einen Termin zur Behandlung einer akuten Augenentzündung sind doch völlig okay. Daran ändert auch eine private Krankenversicherung nichts.
Aber das kann man diesen ewigen Neidern ja nicht beibiegen. Als ich zwei Stunden später – die Termine davor musste ich leider ablehnen, weil ich sie angesichts einer Fahrzeit von 30 Minuten zeitlich nicht hätte wahrnehmen können – schließlich an der Rezeption des Augenarztes vorstellig wurde, war ich aufrichtig erleichtert, dass just an diesem Tag zwei Patienten ihre Termine spontan – ich vermute NACH meinem Anruf – absagen mussten. Ob ihnen ein Angebot ihres behandelnden Arztes vorlag, das sie unmöglich ablehnen konnten, oder ob sie einfach keine Lust hatten, neben einem Pferdekopf aufzuwachen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ist für die Geschichte letztlich aber auch egal.
Da stand ich nun, ich armer Tor und sah so schlecht wie nie zuvor. Was ich hinter der garantiert kugelsicheren Plexiglaswand der Rezeption allerdings erkennen konnte, war ein echter Klassiker deutscher Praxiskultur. Neben einer blutjungen und hübschen Dame – vermutlich eine Auszubildende – saß eine mürrisch dreinblickende Madame Maxime, die sich rein optisch locker in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen einklinken oder in Beauxbatons zur Wiederwahl hätte stellen können.
"Haben Sie Corona-Symptome?", fragt sie mich, diese arielle'sche Uschi, und als ich kurz stutze, weil ich eine Fangfrage vermute: "Fieber? Husten?"
"Wäre es nicht sinnvoller gewesen, das schon am Telefon zu klären?", frage ich vorsichtig. "Hat die Kollegin vergessen. Also. Haben Sie irgendwelche Symptome?" "Sie meinen außer meinem trockenen Husten, dem Umstand, dass ich seit einigen Tagen nichts schmecke und meiner Augenentzündung? Nein, eigentlich nicht", hätte ich wohl gesagt, wenn ich mich getraut hätte. Hab ich mich angesichts der hochgezogenen Augenbraue der uralten Morla aber nicht. Tja, was beweist, dass ich geistesgegenwärtige Kalauer offenbar ähnlich leichtfertig verschenke wie die Nationalmannschaft Siege.
Während ich mich im Weggehen noch über meine mangelhafte Chancenauswertung ärgere, schiebt sich von links ein Mann in mein leicht eingeschränktes Sichtfeld und verlangt an der Rezeption ein Folgerezept für irgendwelche Augentropfen. Als ihm Madame Medusa erklärt, das könne sie ihm nicht einfach so ausstellen, weil er zuletzt vor sechs Jahren in der Praxis war, bedankt er sich freundlich und geht wieder. Ich muss lächeln, frage mich aber nicht zum ersten Mal, wo ich hier gelandet bin. Das sollte ich aber vergleichsweise zeitnah erfahren.
Ein paar Minuten später saß ich im Behandlungszimmer. Mit der uralten Morla. Wenn's nicht läuft, läuft es einfach nicht. Aber das spielt ja keine Rolle. Ich wollte mich gerade setzen, als sie sagte ...
Schalten Sie auch nächste Woche ein, wenn Sie Dr. Bob sagen hören wollen ...
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