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AutorenbildMilaidin

Jehova in Beige

Aktualisiert: 16. Okt. 2019

Zwölf Uhr mittags. High Noon. Es klingelt. Als ich die Tür öffne, stehen vor mir zwei ältere Herren in Beige mit Herrenhandtaschen aus dem Fundus von Horst Schlämmer. "Hallo", säuselt der Erste salbungsvoll. "Hätten Sie einen Augenblick Zeit, um über Gott zu reden?"


Nein, natürlich nicht, denke ich, während ich mich freundlich "Klar, kommen Sie doch rein" trällern höre. Ich kann Hausierer einfach nicht guten Gewissens wegschicken, seit ich mir von zwei ehemaligen Sträflingen an der Haustür ein Abonnement der Süddeutschen Zeitung habe aufschwätzen lassen – obwohl ich schon ein Studenten-Abo hatte.


"Na?", beginne ich das Gespräch. "Wann geht die Welt denn jetzt endlich mal unter?" Einer der beiden Herren kritzelt etwas in seinen Block. "Ist das eigentlich im Einklang mit der DSVGO, dass Sie sich hier Notizen machen?", frage ich ihn interessiert. "Äh, also. Was? Ich notiere mir nur ..."


"Ach, ist ja auch egal", unterbreche ich ihn lächelnd. "Bleiben wir einfach beim Weltuntergang. 1874, 1914 und 1975 hat ja irgendwie nicht geklappt. Wäre doch mal wieder Zeit für eine Prognose. Dafür wäre ich Ihnen wirklich dankbar, weil, wissen Sie .... ich habe mir vorgenommen, alle Bücher von Karl May zu lesen, und wenn ich wüsste, wann genau die Welt untergeht, könnte ich mir meine Zeit optimal einteilen.


Momentan lese ich nämlich nur auf dem Klo, aber wenn mich das Harmagedon nächsten Monat von der Schüssel fegt, müsste ich langsam einen Gang zulegen. Habe nämlich noch 89 Bände vor mir." Freudig lächelnd warte ich auf eine Replik meines sichtlich irritierten Gegenübers ...


Ähm, also wir leben derzeit ja in der Zeit des Endes, der letzten Tage, und..."


"Warum predigen Sie dann immer noch an Haustüren? Lohnt sich doch vielleicht gar nicht mehr. Das erinnert mich ein bisschen an Anlagenberater, die ihren Kunden Aktienfonds mit einer unglaublichen Performance anbieten, selbst aber im Twingo zu Terminen fahren müssen."


"Laut Matthäus 24:14 wird die frohe Botschaft auf der ganzen Welt verkündet, und dann kommt das Ende."


"Aha. Aber steht bei Matthäus ein paar Zeilen vorher nicht auch, dass viele falsche Propheten auftreten und viele irreführen werden? Schon mal darüber nachgedacht, dass Sie zu diesen falschen Propheten gehören könnten? Bis jetzt hat's schließlich nie geklappt mit den Prophezeiungen. Da hatte Nostradamus eine deutlich höhere Trefferquote."


Jetzt sind auch die Gesichter der beiden Herren beige, aber sie lassen nicht locker und wechseln geschickt das Thema. "Jehova wird alle retten, die auf seiner Seite stehen." Wow, die ziehen ja alle Register. Ich wäre wirklich gerne beeindruckt ...


"Also nur Zeugen Jehovas?", bohre ich neugierig nach.


"Das kann man so nicht sagen. Vielleicht finden ja noch mehr Menschen zur Organisation Gottes," werde ich belehrt.


"Ach, ich wusste gar nicht, dass Gott eine Firma hat, aber ist ja auch egal. Ich müsste dann jetzt mal weiterarbeiten. Vielen Dank, dass Sie sich so viel Mühe für mich gemacht haben, aber ich denke, wir können uns zukünftige Gespräche guten Gewissens sparen, es sei denn, Sie möchten mit mir über die islamistische Auslegung des Korans diskutieren. Das ist für mich als Moslem so eine Art Steckenpferd."


Als die beiden Herren mein Büro verlassen, bin ich mir recht sicher, dass sie mich fürs Erste in Ruhe lassen werden ... Amen!

Es ist ein Kreuz mit den Zeugen Jehovas ... Quelle: Wixx

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