Nachdem wir den ersten Tag unseres Italienurlaubs allesamt – die Rouladen ausgenommen, von denen ich mir sicher war, dass sie die gesamte Nacht am Deckel der Mülltonne gerüttelt hatten – schadlos überstanden hatten, war es die erste Bürgerpflicht meines Vaters, unsere Verluste an Wurst und Fleisch schleunigst wieder aufzustocken.
Also marschierte er frohen Mutes zu einem Fleischer seiner Wahl, um diesen – angesichts seiner eher überschaubaren Italienischkenntnisse – wahrlich kühnen Plan mit teutonischer Entschlossenheit in die Tat umzusetzen und "ein bisschen Wurst fürs Frühstück und etwas Fleisch fürs Abendessen" zu besorgen.
Als er nach erstaunlich kurzer Zeit wiederkam, hatte er tatsächlich Fleisch und Wurst dabei. Viel Fleisch und seeeeeeehr viel Wurst. Offenbar war er in seinem damals ständigen Begleiter, einem etwa 100-seitigen braunen Taschenbuch mit dem verheißungsvollen Titel "Italienisch in 30 Tagen", in der Zeile verrutscht und hatte im Eifer des Gefechts "etto" (100 Gramm) mit "chilo" verwechselt. Das Gesicht der Verkäuferin hätte ich wirklich zu gerne gesehen.
Ein Glück, dass wir ohnehin geplant hatten, zwei Wochen in Italien zu bleiben. Und nun, da unser Nachschub an Rouladen – keine Ahnung, wie er geschafft hatte, tatsächlich Rouladen zu ordern – für die nächsten 5 Tage hinreichend gesichert war, machte sich meine Mutter gleich ans Werk, um das Abendessen vorzubereiten, während ich mit meinem Vater endlich an den Strand gehen durfte.
Ich habe mich damals übrigens nicht nur einmal gefragt, wieso genau meine Mutter eigentlich in Italien urlaubt. Das italienische Essen war nichts – mir hat sie ständig eingeredet, von Pizza würde mir übel, was ich auch tatsächlich bis zur Anmeldung zur Führerscheinprüfung geglaubt habe –, ins Wasser wollte sie nicht – trotz ihrer Bademütze mit den faustgroßen Blüten drauf – und in die Sonne konnte sie nicht, ohne am Abend handtellergroße Wasserblasen zu entwickeln. Nur gut, dass wir unsere selbstgenähte knallgrüne Umkleidekabine zum Überstreifen im Gepäck hatten. In die konnte sie sich dann am Strand einmümmeln, um Abends nicht auszusehen wie ein Hummer im Kochtopf.
Wirklich ernsthafte Gedanken habe ich mir als Knirps darüber natürlich nicht gemacht, aber auffällig war es schon, dass meine Mutter ihren Urlaub so verbrachte, als wäre sie in ihrer heimischen Küche ... die natürlich viel sauberer war, als die kleine Küchenzeile im Azurro. Aber sie hatte ja zum Glück ihr Putzzeug dabei und hat den ersten Tag des Urlaubs gerne mal damit zugebracht, die Wohnung auf Saubermann, sprich deutsche Verhältnisse, zu bringen und sämtliches Getier nachhaltig in die Schranken zu weisen ...
Bis ihr dann – vermutlich im Chemikalienrausch – die Flasche Arantschata runtergefallen ist. Hach, was hatten wir Ameisen in diesen zwei Wochen ...
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